Bürokratische Hürden und Zögern in Indien
Das schlechte Wetter, das in den letzten zwei Tagen die Hilfe für Erdbebenopfer im pakistanischen Teil Kaschmirs schwer beeinträchtigte, hat sich am Mittwoch wieder gebessert. Die Arbeiten zur Öffnung von Bergstrassen in die abgelegenen Täler von "Azad Kashmir" konnten daher wieder aufgenommen werden. Pakistan tut sein Möglichstes, die Hilfe von Organisationen aus dem In- und Ausland zu erleichtern. Inzwischen sind Teams aus dreissig Ländern im Erdbebengebiet tätig, und zusammen mit den Vereinten Nationen muss die Regierung die zunehmende Komplexität der logistischen Planung in den Griff bekommen.
Kontrast zum Nachbarland
Die Koordination ist umso schwieriger, als die lokale Administration zusammengebrochen ist und Wohltätigkeitsorganisationen die Verteilung von Gütern übernommen haben. Angesichts des rasch nahenden Winters sieht sich die Regierung zudem gezwungen, die drei zeitlich gestaffelten Phasen von Rettung, Lebenssicherung und Wiederaufbau gleichzeitig durchzuführen. Die Weltbank hat angekündigt, die von ihr gesprochenen 40 Millionen Dollar vor allem in die rasche Wiederherstellung der Infrastruktur zu investieren, etwa in die Bereitstellung von wintersicheren Unterkünften und von Heizöl. Indien bietet einen markanten Kontrast zur Haltung Pakistans. Während sich Erdbebenopfer im indischen Teil Kaschmirs über die bürokratischen Verzögerungen der Zivilverwaltung beklagen, kritisieren unabhängige Organisationen - namentlich ausländische - die wenig kooperative Haltung der Regierung, sei es bei der Erteilung von Einreisevisa oder bei der Entgegennahme von Hilfsgütern. Dagegen können in Pakistan ausländische Helfer ohne Visum einreisen.
Es mag sein, dass die ungleich grösseren Zerstörungen in Pakistan das unterschiedliche Verhalten erklären. Doch auch in Indien hat sich die Zahl der Toten inzwischen auf über 1600 erhöht. Es lässt sich aber nicht übersehen, dass Indien gern seine Fähigkeit unter Beweis stellt, einer Katastrophe selber Herr zu werden. Die Rückweisung ausländischer Helfer Anfang Jahr nach dem Tsunami ist ein sprechendes Beispiel dafür. In einer heiklen Region wie Kaschmir, wo Indien traditionell jede ausländische Einmischung zurückgewiesen hat, kommt dieser Reflex nicht unerwartet. Immerhin hat die Kritik seitens der Opfer zur Folge gehabt, dass wie im Fall des Tsunami und des Erdbebens in Gujarat die private inländische Hilfe anzurollen beginnt. Um ein Chaos zu vermeiden, wie es sich bei früheren Hilfewellen eingestellt hatte, hat die indische Armee die Bevölkerung aufgerufen, ihre Hilfe auch über militärische Kanäle zu leiten.
Lager von Untergrundgruppen beschädigt
Indische Medien haben darüber zu spekulieren begonnen, inwiefern das Erdbeben auch die Infrastruktur des "grenzüberschreitenden Terrorismus" zerstört hat. Laut indischen Darstellungen befinden sich rund 30 Ausbildungslager der wichtigsten kaschmirischen Untergrundgruppen in der Region von Muzaffarabad, Bagh und Balakot; dort sollen gegenwärtig bis zu 1500 Kämpfer ausgebildet werden. Mehrere Zeitungen zitierten Geheimdienstquellen, wonach Satellitenbilder und abgehörte Funkmeldungen auf schwere Schäden bei einer Reihe dieser Camps sowie in den Hauptquartieren in Muzaffarabad selber hinwiesen.
Luftbrücke der Nato
(ap/Reuters) Die Nato hat am Dienstagabend die Einrichtung einer Luftbrücke zur Versorgung der Erdbebenregion beschlossen. Flugzeuge der 26 Mitgliedstaaten sowie Maschinen des Militärbündnisses sollten Hilfsgüter nach Pakistan bringen, teilte die Nato in Brüssel mit. Der Nato- Generalsekretär de Hoop Scheffer erklärte, die Allianz erwäge auch die Mobilisierung von Schiffen für den Transport von Rettungshelikoptern und medizinischem Gerät. Einzelne Mitgliedstaaten könnten für den Rettungseinsatz in Pakistan vorübergehend auch Soldaten der Nato-Truppe Isaf aus Afghanistan abziehen, hiess es in Brüssel.
Quelle: neue Zürcher Zeitung
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