20 Mai 2008

Burma: Rotes Kreuz kann nur indirekt helfen

Moderation: Jochen Fischer

Nach Aussage des Einsatzleiters des Deutschen Roten Kreuzes im Katastrophengebiet Birmas, Bernd Schell, hat seine Organisation nach wie vor keinen Zugang zu den betroffenen Gebieten. Das DRK verfüge jedoch über eine einheimische Partnerorganisation, die auch schon vor der Katastrophe überall Strukturen und Freiwillige hatte. Auf diese Menschen müsse sich das DRK jetzt verlassen, was die Verteilung von Hilfsgütern betreffe, sagte Schell.


Jochen Fischer: Mehr als zwei Wochen nach dem verheerenden Zyklon Nargis hat die birmanische Militärregierung eine dreitägige Staatstrauer für die Opfer angekündigt, die heute beginnt. Im ganzen Land sollen die Flaggen auf Halbmast gesetzt werden. Staatstrauer ist das eine; Hilfe für die Opfer das andere. Mit einem ausländischen Helfer konnte ich vor der Sendung sprechen. Es ist Bernd Schell vom Deutschen Roten Kreuz. Ich habe ihn als erstes gefragt, wie das DRK die Menschen in Birma am besten unterstützen könne.

Bernd Schell: Wir können nur indirekt helfen, da wir als ausländische Helfer nach wie vor keinen Zugang zu den betroffenen Gebieten haben. Aber das Rote Kreuz hat eine Partnerorganisation, das Rote Kreuz von Myanmar, das überall Strukturen auch schon vor der Katastrophe hatte und viele Freiwillige. Das sind die, auf die wir uns jetzt verlassen müssen, weil sie vor Ort sind, um im Prinzip Hilfe zu den Betroffenen zu bringen, das heißt medizinische Hilfe zu leisten, Nahrungsmittel zu verteilen. Auf die vertrauen wir. Das ist unsere einzige Möglichkeit, die Menschen derzeit zu erreichen.

Fischer: Wie viele Mitarbeiter stehen Ihnen dort zur Verfügung?

Schell: Wir haben sicherlich so etwa 1.000 Freiwillige, die in der Region, die jetzt betroffen ist, tätig sind. Wir versuchen, Freiwillige aus anderen Landesteilen verstärkt hereinzubringen, weil wir gerade heute doch immer mehr auch Berichte von unseren Kollegen bekommen, dass die Freiwilligen enorm müde sind. Sie sind seit zwei Wochen unter schweren Bedingungen ununterbrochen unterwegs. Es regnet permanent seit Tagen und sie sind einfach am Ende ihrer Kräfte. Wir müssen jetzt sehen, dass wir sie ablösen, dass wir andere hineinbringen, die vielleicht nicht ganz die Ortskenntnisse haben, aber die zumindest frische Kräfte bringen und frische Hilfe bringen.

Fischer: Über welche Zahlen von Opfern, von Hilfsbedürftigen reden wir im Moment?

Schell: Wir reden sicherlich über eine Zahl von ungefähr geschätzten eineinhalb Millionen betroffenen Menschen. Das ist die Zahl, mit der wir momentan unsere Planungen in etwa machen, die insgesamt zu versorgen sind. Es ist schwer zu sagen. Wir versuchen immer aus allen Berichten, die wir bekommen, alle Organisationen zusammen, diese Hochrechnungen zu machen, weil wir keine ausgebildete Mitarbeiter vor Ort haben, die das können. Das ist etwa die Größenordnung, mit der wir zu rechnen haben. Wir haben sicherlich zum größten Teil dabei Schwerstbetroffene, die wir vor allen Dingen im Landesteil des Irawadi-Deltas haben, die wir zu versorgen haben. Das ist eine sehr, sehr große Zahl.

Fischer: Sie haben gesagt, sie versorgen sie mit Nahrung, mit Wasser, mit Zelten nehme ich an, wenn es geht. Aber wie sieht denn die gesundheitliche Lage der Flüchtlinge aus?

Schell: Wir haben Krankheiten. Wir müssen auch ehrlicherweise sagen, wir haben natürlich noch nicht alle erreicht. Gerade heute habe ich wieder Berichte bekommen von Kollegen, die vor Ort waren, die uns sicherlich noch stärker unter Druck setzen, schneller und effektiver zu arbeiten, auch unter den Umständen, die wir hier erleben. Es ist sicherlich so: Jeder Tag bringt natürlich mehr Krankheiten. Wenn jemand kein Wasser und keine Lebensmittel hat, dann gibt es Unterernährung, dann gibt es Atemwegserkrankungen, weil die Leute kein Dach über dem Kopf haben. Es gibt Malaria, Durchfall-Erkrankungen. Das ist ein Rennen gegen die Zeit und natürlich sind Nahrung, Wasser und Unterkunft wichtig, um Krankheiten zu verhindern. Das ist unser großes Anliegen, das doch in größerem Maße und viel schneller an die Menschen zu bringen.

Fischer:
Haben Sie Informationen darüber, wie und ob die Hilfe die Menschen erreicht?

Schell: Ja, wir haben diese Informationen. Man kann natürlich hier von Rangun aus nur die größeren Städte, wenn man sie als Städte bezeichnen kann, anfahren - mit LKW, zum Teil auch mit Booten und dort wird es in kleinere Boote umgeladen. Die können manchmal nur zehn Säcke Reis tragen, weil einfach keine größeren Boote vorhanden sind. Die fahren dann im Prinzip einfach am Mündungsarm des Flusses entlang und dort wo Menschen sind, die nichts bekommen haben, wird einfach verteilt. Das ist nicht mit einem großen Überblick über alles, was notwendig wäre, aber wir erreichen zumindest Menschen. Dasselbe passiert mit Plastikplanen, die zum Teil jetzt gerade zum Auffangen von Regenwasser benutzt werden, mit Kochgeschirr, mit Decken. Es ist aber nicht wie in anderen Hilfsoperationen sehr organisiert, sondern doch sehr auf die Situation hier in Myanmar zugeschnitten.

Fischer:
Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie darauf keinen Einfluss?

Schell: Wir können zumindest nicht überwachen, was vor Ort passiert. Wir haben zumindest - auch die Organisationen insgesamt - bisher zumindest, was wir kontrollieren können wenig Probleme, dass vieles sagen wir mal missbraucht wird. Wir versuchen immer, einer Familie ein Paket zu geben. Aber wir wissen: Es ist auch birmesische Tradition, dass das verteilt wird. Ein Kochgeschirr, das Teller und Töpfe enthält, wird alles verteilt. Wir geben einer Familie 25 Kilo Reis, also für fünf Leute, und wir wissen, dass damit dann 50 Leute leben. Das ist aber Realität, mit der wir leben können, indem wir den Menschen einfach ein bisschen helfen. Wir hoffen natürlich, dass wir in den nächsten Tagen dann doch mehr wieder bringen können.
Quelle: Deutschlandfunk
Bild: IFRC

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