31 Juli 2010

Das wässrige Menschenrecht

Die UNO will, dass jeder Mensch Zugang zu sauberem Wasser hat – einklagbar ist dieses Recht aber nicht

  • Österreich stimmt nicht für neue Resolution.
  • Mehr Tote durch schmutziges Wasser als durch Malaria, Masern und Aids.

New York/Wien. (klh) "Alle dreieinhalb Sekunden stirbt ein Kind, nur weil es kein sauberes Wasser hat", betonte der bolivianische UNO-Botschafter Pablo Solon vor der UNO-Vollversammlung. Seine Worte zeigten Wirkung: Die Vereinten Nationen haben den Zugang zu sauberem Wasser und den Anspruch auf Sanitärversorgung als Menschenrecht anerkannt. Die UNO-Vollversammlung verabschiedete eine entsprechende Resolution mit 122 Ja- zu null Nein-Stimmen. Allerdings enthielten sich 41 Länder der Stimme, darunter viele EU-Staaten, etwa Österreich.

Man sei nicht grundsätzlich gegen die Initiative, hieß es in österreichischen diplomatischen Kreisen in New York. Durch die Festschreibung von Wasser als Menschenrecht ergäben sich aber Konsequenzen und möglicherweise Verpflichtungen, die nicht geklärt seien. Für das wasserreiche Österreich seien dies "sensible Fragen", die derzeit in einem Prozess beim UNO-Menschenrechtsrat in Genf behandelt werden. "Wir hätten es vorgezogen, wenn dieser Prozess zunächst zu Ende geführt worden wäre."

Möglichkeit eines Vertrages

Doch was bedeutet die derzeitige Resolution nun konkret? Sie ist vorerst mal nichts weiter als eine politische Willenskundgebung ohne rechtliche Konsequnenzen. Die Resolution wurde von der UNO-Vollversammlung verabschiedet. Resolutionen dieses Gremiums sind generell völkerrechtlich nicht verbindlich, erklärt der Völkerrechtler von der Universität Innsbruck, Werner Schroeder. Die Resolution kann daher derzeit nirgendwo eingeklagt werden.

"Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Resolution in einem verbindlichen Vertrag mündet, den die einzelnen Staaten dann ratifizieren", sagt Schroeder gegenüber der "Wiener Zeitung". Oder sie wird über die Jahre zu einem sogenannten Völkergewohnheitsrecht, das dann wiederum verbindlich wird. Kurz gesagt bedeutet das Völkergewohnheitsrecht: Wenn Staaten nach einer Resolution, zu der sie sich bekannt haben, auch handeln, wird diese zu einer einklagbaren juristischen Norm. Ob dies eintritt und die Resolution tatsächlich rechtlich verbindlich wird, steht aber noch in den Sternen.

Für potenzielle Kläger könnte die Resolution laut Schroeder aber schon jetzt einen Weg öffnen. Im UN-Menschenrechtspakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den 160 Staaten ratifiziert haben, ist das Recht auf Gesundheit und angemessenen Lebensstandard festgeschrieben. Klagen in diesem Punkt, die sich auf unsauberes Trinkwasser beziehen, haben durch die jüngste Entwicklungen mehr Handhabe.

Die Resolution ist also vorerst nur ein politischer Akt, der aber ärmeren Ländern als Druckmittel dienen kann. Denn die UNO-Staaten werden nun dazu aufgefordert, die ärmeren Länder dabei zu unterstützen, sauberes Trinkwasser und sanitäre Anlagen für alle Menschen zur Verfügung zu stellen. Wie weit diese Aufforderung Konsequenzen haben wird, wird sich aber erst in der Zukunft weisen.

Tausende Tote wegen Durchfallerkrankungen

Die Auswirkungen verschmutzten Wassers sind verheerend: UN-Zahlen zufolge sterben allein in Afrika täglich 5000 Kinder an Durchfallerkrankungen, die mit sauberem Trinkwasser verhindert werden könnten. "Durchfall ist die zweithäufigste Todesursache bei Kindern. Durch schmutziges Wasser sterben mehr Menschen als an Aids, Malaria und Masern zusammen", betonte Solon. Etwa 884 Millionen Menschen weltweit hätten keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, mehr als 2,6 Milliarden keinen Zugang zu sanitären Anlagen.
Quelle: www.wienerzeitung.at Printausgabe vom Freitag, 30. Juli 2010

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