24 Juli 2010

Ein Menschenrecht auf Wasser

Alle acht Sekunden stirbt ein Kind an einer durch Wasser übertragenen Krankheit. Großbritannien, USA, Kanada, Australien blockieren eine Resolution zum Recht auf Wasser

Am 28. Juli wird die Generalversammlung der UN zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Gipfel über das Menschenrecht auf Wasser abhalten. Sie wird eine Resolution prüfen und diskutieren, die am 17. Juni durch den bolivianischen UN-Botschafter Pablo Solon vorgestellt wurde und von 23 weiteren Ländern unterstützt wird. Das erwünschte Resultat wäre eine Übereinkunft, das Recht auf Wasser als Menschenrecht anzuerkennen. Einige Regierungen verweigern jedoch ihre Zustimmung und so ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass über die Resolution abgestimmt werden muss. Dieser Prozess könnte die Welt entlang einer Nord/Südachse spalten.

Als 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verfasst wurde, konnte keiner vorhersehen, dass Wasser eines Tages so stark umkämpft sein würde. Doch 2010 ist es keineswegs eine Übertreibung, zu sagen, dass der fehlende Zugang zu Trinkwasser eine der gravierendsten Menschenrechtsverletzungen überhaupt darstellt. Alle acht Sekunden stirbt ein Kind an einer durch Wasser übertragenen Krankheit, in all diesen Fällen hätte eine Infektion verhindert werden können, hätten die Eltern Geld, um für Wasser zu bezahlen. Nun, da Trinkwasser ein immer knapperes Gut wird, wird diese Zahl steigen. Ein aktueller Bericht der Weltbank besagt, dass der weltweite Wasserbedarf bis 2030 die Ressourcen um 40 Prozent übersteigen wird – eine alarmierende Prognose, die fürchterliches Leid vorhersagt.

Seit einigen Jahren fordern internationale und lokale Organisationen, die für Wasser-Gerechtigkeit kämpfen, eine Absichtserklärung der UN, die ein für alle mal klarstellt, dass niemandem sauberes Wasser vorenthalten werden darf, weil er nicht in der Lage ist, dafür zu bezahlen. Diese Forderung ist vor dem Hintergrund der Wassermärkte, die aktuell entstehen, besonders dringlich, da diese es den Reichen ermöglichen, die Wasserversorgung entsprechend zu drosseln, um Profite zu erzielen. Die Tatsache, dass Wasser bislang nicht Teil der Menschenrechte ist, hat dazu geführt, dass wasserpolitische Entscheidungen von der UN und den Regierungen auf Institutionen wie die Weltbank, den Weltwasserrat und die WTO übertragen wurden, die marktwirtschaftliche Lösungen bevorzugen.

In der vergangenen Jahren ist die Unterstützung für ein Menschenrecht auf Wasser stetig gewachsen, doch einige wohlhabende Nationen – insbesondere das Vereinigte Königreich, die USA, Kanada und Australien – haben sich als Gegenkräfte herausgestellt, die Entschuldigungen finden, weshalb sie eine Resolution in ihrer aktuellen Form nicht unterstützen. Die neue konservative Regierung unter David Cameron hat bereits angekündigt, dass sie eine Resolution ablehnen wird, sofern sie nicht dahingegen abgeändert wird, dass anstelle des Anrechts auf das Wasser selbst, der „Zugang“ zum Wasser als Menschenrecht deklariert wird, und sanitäre Einrichtungen ausgeklammert werden. Kanada versteckt sich hinter der falschen Behauptung, eine solche Resolution könne das Land dazu zwingen, seine Wasservorkommen mit den USA teilen zu müssen; Australien hat den Weg der Wassermärkte eingeschlagen und ist deshalb kaum bereit, eine Absichtserklärung zu unterzeichnen, welche die Vergesellschaftung von Wasser befürwortet; die USA scheinen unter Obama enttäuschenderweise ihren Kurs in Sachen Menschenrechtsverpflichtungen durch die UN nicht zu ändern.

Nichtsdestoweniger ist die Hoffnung groß, dass der 28. Juli als ein Tag in die Geschichte eingehen wird, an dem die Staaten der Welt ein für alle Mal mit einer historischen Verpflichtung anerkannt haben, dass jeder Mensch auf dieser Erde ein Recht auf sicheres, sauberes Trinkwasser und die Würde eines guten Abwassersystems hat. Wird die Krise erfolgreich gelöst sein, sobald per Abstimmung entschieden ist, dass jeder Mensch im Rahmen der allgemeinen Menschenrechte ein Recht auf Wasser hat? Selbstverständlich nicht. Die Arbeit, in einer Welt, in der die Wasservorräte schrumpfen, Trinkwasser für alle verfügbar zu machen, hat gerade erst begonnen.

Doch von Zeit zu Zeit macht die Menschheit gemeinschaftlich einen Schritt in ihrer Entwicklung nach vorne. Dafür ist nun wieder einmal die Zeit gekommen und wir müssen uns dieser Herausforderung stellen.
Hintergrund

Maude Barlow ist Vorsitzende des Council of Canadians und Vorstandsvorsitzende der Organisation Food & Water Watch. 2008 bis 2009 beriet sie den 63. Präsidenten der UN-Generalversammlung in Wasserfragen.
Quelle: derFreitag

Keine Kommentare: