05 September 2010

Günter Stummer berichtet aus Multan in der pakistanischen Provinz Punjab

Unser Arbeitstag ist 18 Stunden lang - davon sind wir mindestens zehn bis zwölf "im Feld", das heißt an den Orten, wo die Rotkreuz-Hilfe statt findet. Gestern hatte es tagsüber zwischen 40 und 47 Grad - um 23.00 Uhr waren es immer noch 40°.

Das ist anstrengend. Zudem essen wir untertags nichts - aus Rücksicht auf die Bevölkerung, die gerade ihre religöse Fastenzeit (Ramadan) begeht. Nur aufs Trinken und Obst verzeichten wir nicht, das wird aber auch bei der Bevölkerung dankend anerkannt.

Die Situation hier kann man mit Worten fast nicht beschreiben. Tausende, ja abertausende sind in Bewegung. Überall steht das Wasser und hat an verschiedenen Stellen schon einen üblen Geruch. Wir sehen viele Kinder mit Hautausschlägen, schwache alte Menschen und es herrscht Elend und Not. Doch geben die Leute nicht auf.

Im Überschwemmungsgebiet sind viele Straßen noch unter Wasser oder so zerstört, dass man einfach nicht zu den Leuten vordringen kann, die zum Teil noch immer auf den Dächern ihrer Häuser ausharren.

Ein logister Alptraum.

Und im Norden, wo das Wasser sich nicht ausdehnen konnte, hat es durch seine Urgewalt viele Dörfer einfach mitgerissen und Straßen und Brücken zerstört. Dort ist das Wasser bereits zurückgegangen und man sieht die Zerstörung ganz deutlich.

Im Überschwemmungsgebiet im Süden kommen die Schäden erst ganz langsam zu Tage, weil das Wasser erst ein bis zwei Meter gesunken ist. Trocken wird es im Moment nicht, weil aus den großen fünf Flüssen immer noch Hochwasser kommt und das Arabische Meer nichts mehr aufnimmt.

Ich habe viele Kinder gesehen, die nicht zur Schule gehen können. Nicht etwa, weil die Schulen zerstört sind - nur wenige stehen unter Wasser - sondern einfach,weil alle Hände gebraucht werden, um den Betroffenen das Überleben zu sichern. Nur in den Großstädten, die am wenigsten betroffen sind, herrscht normaler Alltag - eine ganz komische Situation - Alltag als ob nichts wäre.

Ziel ausländische Helfer

Viele Kinder leiden bereits an den Folgen von unsauberem Trinkwasser und haben Hautausschläge (ähnlich dem Nesselausschlag).

Allgemein ist die Sicherheitslage sehr angespannt, weil militante Gruppen ausländische Helfer zum Ziel erklärt haben. Wir spüren das insofern, als wir aufgefordert sind, bestimmte Lokale oder Regionen zu meiden, in Hotelrestaurants oder lokalen Restaurants nicht am Fenster zu sitzen, sondern eher weiter hinten, wo man nicht gesehen wird. Betonblöcke werden vor Hotels und Restaurants aufgestellt, die verhindern sollen, dass Attentäter mit Fahrzeugen direkt in die Gebäude-/Fensterfronten fahren können.

Aber man fühlt sich nicht unsicher hier.

Unsicher ist nur der Straßenverkehr - der ist fast zum Fürchten. Die Autofahrer fahren mit einer derartigen Geschwindigkeit einfach dort wo Platz ist - links, rechts, dazwischen und im Zickzack. Oft geht es sich bei 80 km/h nur um Handbreite aus, dass nicht passiert. Und dazwischen überall Eselkarren die auch einfach so fahren, wie sie wollen. Gar nicht zu sprechen von den unzähligen Mopedfahrern. Einfach unvorstellbar.

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