Grüne kündigen Anfrage im Nationalrat an - Kritik auch von NGOs
Wien – Die österreichische Regierung wird sich den Bundesheereinsatz im Tschad als Entwicklungshilfe anrechnen lassen. Wie der Standard erfuhr, hat das Außenministerium in Wien die Anrechenbarkeit des Einsatzes in einem Briefwechsel mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Frühjahr abklären lassen. Diese Vorgehensweise ist umstritten, denn durch die Anrechnung werden militärische Ausgaben – für Munition etwa – als Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) ausgegeben. Andererseits weist das Außenministerium darauf hin, dass die Tschad-Mission klare humanitäre Ziele wie den Schutz von Flüchtlingen verfolgt.
Heftige Kritik kommt jedenfalls von den Grünen: "Es kann nicht sein, dass Militäreinsätze, auch wenn sie humanitäre Ziele haben sollen, die Zukunft der österreichischen Entwicklungshilfe sind", sagt die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek. Unklar sei auch, ob die Mission nachhaltig und armutsbekämpfend wirke, also den Kriterien der österreichischen Auslandshilfe überhaupt entspreche. Die Abgeordnete will daher noch diese Woche eine schriftliche Anfrage im Nationalrat an das Außen- und Finanzministerium stellen. Der Militäreinsatz im Tschad wird bis Juni rund 25 Millionen Euro kosten. Nicht als entwicklungshilfetauglich gelten offiziell nur längerfristige Ausgaben, etwa für gepanzerte Fahrzeuge.
Kritik kommt auch von NGOs: "Wenn ein Militäreinsatz in die Entwicklungshilfe eingerechnet wird, wird das Geld an anderer Stelle, etwa bei der Nahrungsmittelhilfe, fehlen", sagt Christoph Petrik-Schweifer, Chef der Auslandshilfe der Caritas. Zudem warnt er davor, Militäreinsätze pauschal als humanitäre Hilfe einzustufen. Das Besondere im Fall des Tschad-Einsatzes ist, dass die gesamten laufenden Kosten für die Mission EZA-tauglich sind: Für die Mission im Kosovo darf nur ein Bruchteil des Aufwandes als EZA verrechnet werden, bei UN-Blauhelmmissionen sind es sieben Prozent der Ausgaben.
Im Außenministerium wird auf die OECD verwiesen: Diese habe entschieden, dass der Tschad-Einsatz als EZA einstufbar sei. Auch andere Staaten werden sich den Einsatz anrechnen lassen, heißt es. Dass es nur darum gehe, die österreichische Bilanz zu verbessern, wird zurückgewiesen. Österreich hat zugesagt, bis 2010 0,51 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für EZA auszugeben. Nach Schätzungen fehlen dafür derzeit rund 800 Millionen Euro.
Die OECD beklagt zudem schon lange, dass Österreichs Hilfe falsch verteilt ist. Für die längerfristig nicht planbare humanitäre Hilfe, etwa nach Erdbeben, werde im Verhältnis zu viel ausgegeben. Kernprojekte der EZA wie Institutionenaufbau und Armutsbekämpfung kämen dagegen zu kurz.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen