15 März 2011

Schönfärber?

Der Rotkreuz-Strahlenschutzexperte Stefan Schönhacker sieht keinen Anlass zur Panik nach dem Erdbeben in Japan.

Nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan schaut alle Welt wie gebannt auf die Kernkraftwerke des Landes. Wie groß schätzen Sie die von den AKWs ausgehende Gefahr ein?
Schönhacker: Zuerst möchte ich betonen, dass eine Atomkatastrophe zum Glück sehr unwahrscheinlich ist. Die radioaktive Kontamination in Japan ist kleinräumig, aus derzeitiger Sicht sind keinerlei nennenswerte radiologische Auswirkungen auf Österreich zu erwarten.

Wie würde das ÖRK reagieren, wenn es zu einer Atomkatastrophe in der Nähe Österreichs käme?
Schönhacker: Falls es zum Beispiel in Tschechien zu einem Atomunfall kommen würde, wäre Österreich in Form des Durchzugs einer radioaktiven Wolke betroffen. Dann wäre die primäre Rotkreuz-Aufgabe die Aufrechterhaltung des Rettungsdienstes und Krankentransportes sowie der Gesundheits- und Sozialen Dienste.
Das Nachbarland könnten wir auf Anfrage bei Evakuierungen unterstützen und die Betroffenen unterbringen und betreuen. In Österreich sind keine Evakuierungen notwendig – selbst bei massiven Störfällen in grenznahen Kernkraftwerken wäre das nicht nötig.
Bedeutet das, eine Evakuierungszone im Radius von 20 km rund um ein Kernkraftwerk ist ausreichend?
Schönhacker: Ja. Bei uns in Österreich geht es im Fall des Falles um den Durchzug radioaktiver Wolken. Dazu gibt es zwei Schutzmaßnahmen umzusetzen: Erstens der Aufenthalt in Gebäuden, womit man die Einwirkung stark reduzieren kann. Für das Rote Kreuz bedeutet das, Leute zu unterstützen, die zuhause Pflege brauchen oder zur Dialyse müssen.
Zweitens die Einnahme von Kaliumiodidtabletten nach Maßgabe des Gesundheitsministeriums. Dadurch wird die Aufnahme von radioaktivem Iod in die Schilddrüse verhindert.

Wie lange muss man diese Schutzmaßnahmen einhalten?
Schönhacker: Der Durchzug einer radioaktiven Wolke dauert einige Stunden bis zu maximal zwei Tagen – die Einwirkung ist am intensivsten, wenn die Staubwolke durchzieht. Je nach Wetterlage dauert das maximal 48 Stunden. Wenn man Vorräte für etwa eine Woche zuhause hat, ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

Das Österreichische Rote Kreuz verfügt über spezialisierte Strahlenschutzeinheiten. Was ist die Aufgabe dieser so genannten Deko-Einheiten?
Schönhacker: Sie sind spezialisiert auf die Dekontaminierung von verletzten Personen und vereinen damit das Wissen der Rettungssanitäter mit dem fachlichen Wissen um den richtigen Umgang mit gefährlichen Substanzen (Ausbildung im ABC-Bereich). Aber auch hier gilt: Hoch kontaminierte Personen in Österreich müssten aus der 20 km-Zone rund um das verunglückte Kraftwerk kommen.

In welchen Bundesländern hat das Rote Kreuz Deko-Einheiten stationiert?
Schönhacker: Die Rotkreuz-Landesverbände Oberösterreich und Niederösterreich verfügen über Einheiten zur Verletzten-Dekontamination. In Wien besteht eine Bereitschaft ABC-Selbstschutz.
Die Deko-Einheiten werden übrigens auch für Großveranstaltungen wie die Euro 2008 angefordert, um bei einem Anschlag mit atomaren, biologischen oder chemischen Stoffen raschestmöglich Hilfe leisten zu können.

Stefan Schönhacker ist Kommandant der Bereitschaft ABC-Selbstschutz beim Wiener Roten Kreuz und Experte für Strahlenschutz.

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