26 November 2010

Dämonisch: Die Angst der Haitianer vor der Seuche

Die Lage in Haiti ist nach Ausbruch der Cholera weiterhin prekär. Obwohl die Krankheit eigentlich einfach zu behandeln ist, scheitert eine effektive Hilfe oft am Unwissen der Einheimischen, berichtet SF-Sonderkorrespondent Erwin Schmid aus Haiti.

Gegenseitige Hilfe unter den Einheimischen ist eher rar in Haiti.

«Die Krankheit ist extrem gefährlich», sagt Schmid gegenüber «tagesschau.sf.tv.». «Aber nur, wenn man sie nicht richtig behandelt.» Durch die Cholera verliert der Körper in kürzester Zeit sehr viel Flüssigkeit. Zur Behandlung müssen die Kranken daher möglichst rasch rehydriert werden. Dies geschieht beispielsweise in den 27 Behandlungszentren von «Médecins Sans Frontières». Diese sind - soweit möglich - hermetisch abgeriegelt, um eine weitere Verbreitung der Cholera zu verhindern.

Den Leuten die Angst nehmen

Viele Haitianer, gerade in ländlichen Gegenden, haben einen starken Glauben an Voodoo. Dieser führt laut Schmid dazu, dass die Krankheit oft regelrecht dämonisiert wird.
Zudem war Haiti während rund 200 Jahren eine Cholera-freie Zone. Die Menschen wissen daher schlicht nicht, wie mit der Krankheit umzugehen ist.

Die UNO hat deswegen gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium eine Informationskampagne ausgearbeitet. Diese soll über die Cholera und den richtigen Umgang mit ihr aufklären. An dieser Kampagne und auch an der direkten Hilfe für die Betroffenen sind auch Schweizer Organisationen beteiligt. Zu ihnen gehören neben dem «Schweizerischen Roten Kreuz» die «Caritas Schweiz», «Terre des Hommes», «Médecins du Monde» und die «Helvetas».

Die Unwissenheit führt dazu, dass Menschen mitten in der Hauptstadt Port-au-Prince auf der Strasse liegen gelassen werden. «Dies geschieht aus der unberechtigten Angst, dass sich die Helfer selber anstecken», berichtet Schmid.

Erkrankte seien aber oft so geschwächt, dass sie die Hilfszentren ohne fremde Unterstützung kaum erreichen könnten, so Schmid. «Menschen scheuen aber nur schon die Nähe zu Erkrankten. Dabei kann die Krankheit aber eigentlich nur über den Kontakt mit verseuchtem Wasser übertragen werden.» Somit stellt für Schmid - neben der Behandlung der Patienten - eine schnelle Aufklärung über die Krankheit das effektivste Mittel zu deren wirksamen Bekämpfung dar.

Die Helfer vor Ort hoffen, dass die aktuelle Welle der Epidemie im Januar wieder abklingt, berichtet Schmid. Sie machten sich aber keine Illusionen: Die Cholera dürfte in Haiti noch über Jahre ein Problem darstellen und noch mehrmals ausbrechen.

Angespannte Stimmung vor den Wahlen

Im aktuellen Wahlkampf spielt die Cholera keine unmittelbare Rolle, so Schmid. Die Leute sind aber allgemein frustriert, weil sie den Eindruck haben, dass die Regierung von Präsident Préval die Folgen der Erdbeben-Katastrophe schlecht bewältigt hat. Die Epidemie verstärkt dieses Gefühl nun zusätzlich.

Die Wut richtet sich aber nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die Helfer aus dem Ausland. Laut Schmid sind viele Haitianer verzweifelt, weil sie den Eindruck haben, dass ihnen nicht schnell und effizient genug geholfen wird – obwohl zahlreiche Helfer aus dem Ausland präsent sind.

Dies wirkt sich auch auf die allgemeine Stimmung in der Stadt aus. «Die Atmosphäre in der Stadt ist ziemlich angespannt», so Schmid. Einige Hilfsorganisationen haben deswegen für ihre Angestellten ab Freitag eine Ausgangssperre verhängt.

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