06 Dezember 2011

War games

Kriegsverbrechen in Videospielen:
Rotes Kreuz fordert Einhaltung der Genfer Konventionen

Dass Videospiele 'mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen' seien, ist eine heutzutage viel genutzte Phrase zur Verdeutlichung der Entwicklung von Games vom Nerd-Gut hin zum massentauglichen Entertainment-Produkt. So sehr man dieser Tatsache aber auch positiv gegenüber stehen mag, so sehr bringt sie auch einige doch recht befremdliche Tendenzen mit sich. Eine weitere Episode aus dem Kuriositätenkabinett 'Videospiel trifft gesellschaftliche Organisation' liefert nun ausgerechnet das Rote Kreuz.

Das 'International Committee of the Red Cross' (ICRC) debattiert nämlich zur Zeit ernsthaft über die Frage, ob die Genfer und Haager Konventionen nicht auch in Videospielen Anwendung finden müssten, die sich mit der Thematik des Krieges auseinandersetzen. Die Begründung der Organisation für die aus Gamer-Sicht vermutlich etwas abstruse Diskussion: Weltweit gebe es geschätzt rund 600 Millionen Videospieler, die möglicherweise allesamt in der virtuellen Welt das humanitäre Völkerrecht verletzen würden.

"Während unsere Bewegung energisch dafür kämpft, das humanitäre Völkerrecht weltweit bekannt zu machen, gibt es eine Gruppe von weltweit geschätzten 600 Millionen Spielern, die das IHL [International Humanitarian Law - Humanitäres Völkerrecht] möglicherweise virtuell verletzen. Und genau die Frage danach, inwiefern Videospiele Individuen beeinflussen können, ist ein heiß diskutiertes Thema, in dessen Zuge nun zum ersten Mal durch Partner unserer Bewegung die Frage danach angestoßen wurde, wie unsere Rolle und Verantwortung bezüglich eines Handelns gegen Verstöße gegen das IHL in Videospielen aussieht", so der Beschreibungstext einer Diskussionsveranstaltung des Roten Kreuzes zur Thematik der Völkerrechtsverstöße in Videospielen.

Sollte sich am Ende der aktuell noch geführten Debatte der Verantwortlichen herauskristallisieren, dass man die Genfer und Haager Konventionen auch auf virtuell in Videospielen geführte kriegerische Konflikte anwenden müsse, wolle man sich darum bemühen, die Entwickler und Produzenten von Videospielen dazu zu animieren, das humanitäre Völkerrecht in den Design-Prozess neuer Projekte mit einfließen zu lassen, so ein Statement der Organisation. Eine weitere Möglichkeit wäre es zudem, Regierungen dazu zu bewegen, Gesetze und Regulierungen zu etablieren, um die stetig wachsende Gaming-Industrie in eine entsprechende Richtung zu lenken.

Dieser Vorstoß des Roten Kreuzes ist übrigens nicht der erste dieser Art: Bereits 2007 stießen die Schweizer Initiativen 'Track Impunity Always' (TRIAL) und 'Pro Juventute' in einer Studie die Frage danach an, ob die Genfer Konventionen nicht auch auf virtuelle Kriege in Videospielen anzuwenden seien.

Ebenfalls Interessant in diesem Zusammenhang: Götz Neuneck, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor am Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, forderte jüngst in einem Interview mit der Computer-Fachzeitschrift c't die Anwendung der Genfer Konventionen und des Humanitären Völkerrechts im Allgemeinen auch auf Cyber-Kriege.

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