04 September 2010

Arbeit hinter Kulissen

Retzerin für Pakistan: KATASTROPHENMANAGERIN 
Mag. Sandra Schinner sorgt für die perfekte Vorbereitung und Ausstattung der Pakistan-Delegierten.

UNTERNALB, WIEN, PAKISTAN / Um in Krisenfällen im Ausland schnell und erfolgreich Hilfe leisten zu können, ist innerhalb der einzelnen Hilfsorganisationen ein perfektes Management gefragt. Unter diesen Katastrophenmanagern befindet sich auch Mag. Sandra Schinner aus Unternalb (Gemeinde Retz).

Schinner gibt seit einiger Zeit als Qualitätsmanagement-Beauftragte für das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) ihr Bestes. Die Idee, aus dem Krankenhausmanagement auszusteigen und für das Rote Kreuz zu arbeiten, kam ihr erst in diesem Jahr. In ihrer Entscheidung bestärkt sie das Gefühl, für eine humanitäre Organisation zu arbeiten. „Es geht hier nicht um Profit, sondern und das Menschliche“, erklärt die Unternalberin. „Hier wird aus Liebe zum Menschen gearbeitet und das ist für mich gerade in der heutigen Zeit etwas Besonderes.“
Beim Roten Kreuz – und damit auch bei Sandra Schinner – dreht sich im Moment alles um die Überflutungen in Pakistan, die als die schlimmsten seit 80 Jahren gelten. Aktuell ist ein Gebiet von der Größe Italiens davon betroffen. Dort besteht ein dringender Bedarf an sauberem Trinkwasser, Nahrung, Hygieneartikeln, Notunterkünften und medizinischer Versorgung. Im NÖN-Gespräch schildert die Unternalberin ihre Eindrücke.

NÖN: Kann man schon abschätzen, wie viele Menschen von der Katastrophe betroffen sind?
Schinner: Endgültige offizielle Zahlen dazu gibt es noch keine. Man weiß im Moment nicht genau, wie viele Menschen obdachlos geworden sind, jedoch schätzt das Rote Kreuz, dass in etwa sechs Millionen Menschen humanitäre Hilfe in Form von Trinkwasser, Zelten, Materialien für Unterkünfte sowie medizinische Hilfe benötigen. Das Pakistanische Nationale Katastrophenmanagement meldet aktuell 1.539 Tote, 2.055 Verletzte und mehr als 12 Millionen beschädigte oder zerstörte Häuser.

NÖN: Wie wird die Wasser- und Notunterkunft-Situation in Pakistan geregelt?
Schinner: Das ist von Region zu Region unterschiedlich. In manchen Orten sind die Menschen in Notquartieren untergebracht, in anderen müssen Tausende nach wie vor schutzlos zwischen den Highways campieren. Genauso gravierende Unterschiede gibt es bei der Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Die Rotkreuz- bzw. Rothalbmond-Wasserspezialisten berichten, dass in einigen Dörfern die Brunnen und Handpumpen problemlos funktionieren. In anderen Gegenden wiederum hausen Menschen unter schlimmsten hygienischen Bedingungen und haben keinen akzeptablen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Diese Zustände und der Mangel an Lebensmitteln führen zu gesundheitlichen Risiken.

NÖN: Wie steht es um die Gesundheit der Betroffenen?
Schinner: Die medizinischen Teams des Roten Halbmondes konnten bis zum aktuellen Zeitpunkt ungefähr 50.000 Patienten versorgen. Tausende Pakistani leiden bereits an wässriger Diarrhoe. Das Auftreten von Cholera konnte bis jetzt zum Glück nur in einem Fall bestätigt werden. Hauptsächliche Beschwerden sind Durchfall- und Atemwegserkrankungen sowie Hautinfektionen. Besonders erschreckend ist der Umstand, dass fast die Hälfte der betroffenen Kinder unter fünf Jahre alt sind.

NÖN: Ist diese Katastrophe schlimmer als das Erdbeben in Haiti oder der Tsunami?
Schinner: Das würde ich nicht direkt mit Ja oder Nein beantworten. Es kommt darauf an, welche Indikatoren man betrachtet. Schaut man sich die Zahl der Toten an, ist diese Katastrophe mit Sicherheit kleiner. Jedoch ist das Ausmaß der Zerstörung enorm und die Zahl der Überlebenden, die kurz- und mittelfristig Hilfe und Unterstützung benötigen, ist wesentlich größer. Auch die Fläche des betroffenen Gebietes ist enorm.

NÖN: Wie schaut die Hilfe des Österreichischen Roten Kreuzes konkret aus?
Schinner: In dieser Katastrophe unterstützt auch das ÖRK von Anfang an aktiv bei der Bewältigung der Situation. Der Delegierte Dirk Schrader hat bereits in den ersten Tagen der Katastrophe mit der Verteilung von Lebensmitteln, Plastikplanen und weiteren Hilfsgütern im Wert von über 30.000 Euro begonnen. Aktuell wurden Lebensmittel um rund 200.000 Euro und Zelte, Plastikplanen, Hygieneartikel und Kochgeschirr um rund 380.000 Euro angekauft. Auch drei Trinkwasserspezialisten sind mittlerweile in Pakistan eingetroffen. Andreas Cermak vom Roten Kreuz NÖ ist am 20. August in das Krisengebiet aufgebrochen, drei Tage später haben sich Edith Huemer und Hagen Tropper auf den Weg gemacht. Auch für Günter Stummer wurden die Reisevorbereitungen bereits abgeschlossen. Diese Helfer werden vor Ort gemeinsam eine Trinkwasseraufbereitungsanlage betreiben, die täglich 15.000 Menschen bis zu vier Monate lang mit sauberem Trinkwasser versorgen wird. Die Nothilfe des ÖRK beträgt bis heute insgesamt über 700.000 Euro.

NÖN: Wie können die Österreicher am besten helfen?
Schinner: In erster Linie ist den Menschen vor Ort mit Geldspenden geholfen, mit denen das Rote Kreuz und der Rote Halbmond vor Ort und in der Region Hilfsgüter ankaufen und die Verteilung organisieren kann. So wird nicht nur sparsam mit den anvertrauten finanziellen Mitteln umgegangen, es wird auch die oftmals darniederliegende Wirtschaft im Land unterstützt. Medikamente und Sachspenden können daher aus logistischen Gründen im Moment nicht entgegengenommen werden. Es wäre viel zu kostspielig, kompliziert und zeitaufwendig, Einzelspenden von Österreich nach Pakistan zu transportieren. Die Spendengelder werden aber auch für die Trinkwasseraufbereitung dringend benötigt.

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