Alain Lefevre redet derzeit viel über dasWetter. "Alles hängt davon ab, ob es besser wird" , sagt er immer wieder. Verlegenheit ist das nicht: Lefevre ist Notfallkoordinator der Ärzte ohne Grenzen in Pakistan. Nur, wenn es aufhört zu regnen, kann er manchen jener Millionen Menschen helfen, die von den Hochwassern betroffen sind. Die Prognose der Meteorologen am Dienstag: Gewitter in den nächsten 24 Stunden.
Im Norden des Landes, in den schwer zugänglichen Bergen rund um das Swat-Tal, sinken die Pegelstände zwar - das Gebiet ist aber völlig von der Außenwelt abgeschlossen. Brücken und Straßen sind zerstört, Helikopter können nur bei gutem Wetter fliegen. "Das wird noch Monate dauern, bis wir alle Menschen dort erreichen können" , sagt Lefevre. Immerhin lockerten die Wolken am Dienstag etwas auf, etwa 30 Rettungshubschrauber konnten aufsteigen und Lebensmittel und Trinkwasser verteilen.
Am schlimmsten ist dieSituation derzeit in den niedrigeren Lagen südlich der Berge: "Wo sonst nur ein Fluss ist, sieht man jetzt nichts außer Wasser" , schildert Lefevre. DasGebiet ist dicht besiedelt, ganze Dörfer wurden weggespült, abertausende Menschen mussten fliehen.
Fließt dasWasser dort ab, ist der Süden des Landes in Gefahr: Dort bereiten sich manche Bewohner bereits auf die drohenden Fluten vor. Städte und Dörfer werden evakuiert - doch die Frage ist: wohin? Oft müssen 1000 Familien in einem kleinen Lager unterkommen, viele Schulen, die derzeit wegen der Ferien geschlossen sind, werden als Notunterkünfte genutzt.
Am Dienstag wurde die Stadt Muzzaffargarh in Zentralpakistan geräumt: 750.000 Menschen mussten flüchten, 350.000 davon waren erst vor wenigen Tagen als Flüchtlinge in der Stadt angekommen. Etwa 3500 der Flüchtlinge weigerten sich, dieStadt zu verlassen. Sie wollten lieber auf Bäumen oder Hausdächern ausharren, als noch einmal alles zurückzulassen, berichtet die pakistanische Zeitung Dawn.
Auch das Kraftwerk von Muzzaffargarh wurde evakuiert. Es gilt als einer der wichtigsten pakistanischenStromlieferanten. Sollte es von den Fluten zerstört werden, fürchten Experten Stromausfälle im ganzen Land.
Heute, Mittwoch, will die Uno in New York einen Spendenaufruf an dieStaatengemeinschaft starten. Für die Soforthilfe würden mehrere hundert Millionen US-Dollar benötigt, meinte Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon. Für den Wiederaufbau des Landes werden mehrere Milliarden nötig sein. Bisher gingen bei der Uno Spenden über 38 Millionen Dollar ein, weitere 91 Millionen wurden zugesagt.
Geld allein nutzt derzeit allerdings wenig: "Das größte Problem sind das fehlende Trinkwasser und die fehlenden Sanitäranlagen" , sagt Lefevre. "Wenn sich daran nicht schnell etwas ändert, dann drohen Seuchen." Heute, Mittwoch, will er die Hauptstadt Islamabad verlassen und in das Swat-Tal aufbrechen - "wenn nur das Wetter besser wird".
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