05 Juli 2010

Werben mit der Katastrophe

Bei Katastrophen wie dem Erdbeben in Indonesien setzt sich ein Tross deutscher und internationaler Helfer in Bewegung. Sie sind mitunter überflüssig, bringen aber Spenden.

Verletzte Menschen, verwaiste Kinder, zerstörte Häuser - die Fernsehbilder nach Naturkatastrophen in armen Ländern sind grauenvoll. Auch nach dem Erdbeben auf der indonesischen Insel Sumatra vor zwei Wochen sendeten die Fernsehstationen die Katastrophen nach Europa.

Und sie erfüllten ihren Zweck: "Der Tross ausländischer Helfer ist den Kameras gefolgt. Dabei war das Beben weniger schlimm als gedacht, und die Indonesier konnten sich selbst gut versorgen", sagt der Arzt Richard Munz (Bild li.).

Einheimische können oft schneller und effizienter helfen als Betreuer, die erst anreisen müssen. Die meisten Menschen werden unmittelbar nach einer Katastrophe sogar mit bloßen Händen von Nachbarn aus den Trümmern geborgen. Das aber ist ein Problem für die Spendenwerbung der Hilfsorganisationen.

Geld gibt es vor allem für deutsche Helden, die arme Opfer retten. Aus Angst um ihre Karriere trauen sich nicht alle entsandten Helfer, vor der Zentrale in Deutschland zuzugeben, wenn sie überflüssig sind. Schließlich wirbt die Organisation mit ihrer Arbeit im Krisengebiet.

Munz mahnt da zu mehr Ehrlichkeit. Er selbst war für das Rote Kreuz in die Dörfer bei Padang geflogen. Als er sah, dass die indonesischen Ärzte und Schwestern die Opfer versorgen konnten, kehrte er heim.

"Da wird von manchen übertrieben"
Auch Bilder von deutschen Hilfsgütern, die in Deutschland in Flugzeuge geladen und in das Katastrophengebiet transportiert werden, regen die Bevölkerung zum Spenden an. "Es ist aber schneller und billiger, in der Region, wo das Unglück passierte, einzukaufen", erklärt ein Sprecher von Caritas. Zudem unterhalten große Hilfsorganisationen in gefährdeten Ländern vorsorglich Lager.

Die Katastrophenhelfer stecken in einem Dilemma. Sie müssen innerhalb von 48 Stunden nach einem Unglück die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gewonnen haben, um Spenden zu bekommen. Später interessiert sich niemand mehr für das Thema.

In dieser kurzen Zeit können sie das wahre Ausmaß oft gar nicht ermessen, sollen aber den Medien Schaden- und Opferzahlen nennen. "Da wird von manchen übertrieben", sagt Wolfgang Tyderle von Care Deutschland.

Schließlich wird die Konkurrenz um Spenden und öffentliche Zuschüsse immer härter. In Deutschland gibt es mehr als 500.000 Vereine und Stiftungen. Ihre Zahl steige, weil es immer mehr Engagement für Umwelt-, Natur- und Tierschutz, für Osteuropa oder für exotische Länder gebe, erklärt Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen.

Die etablierten Helfer klagen, immer öfter reisten Private in Unglücksgebiete, weil sie das Land vom Urlaub kennen. "Und dann verbrennen sie die mitgebrachten Altkleider, weil sie keiner braucht", erzählt ein Helfer.

Aber auch die großen Organisationen sind nicht immer gut aufeinander zu sprechen. Manche stört etwa, dass das Technische Hilfswerk (THW), das mehrheitlich vom Innenministerium finanziert wird, bei Katastrophen oft die deutschen Botschaften berät, welche Unterstützung nötig sei. Damit beeinflusse das THW indirekt, an welche Organisationen die Bundesregierung Zuschüsse vergebe. Andere halten solche Koordination für wichtig.

In einem sind sich jedoch alle einig: Am besten ist es, einheimische Helfer auszubilden. So haben nach dem Tsunami 2004 deutsche Organisationen indonesische Teams aufgebaut. Ihre Hilfe hat bei der jüngsten Katastrophe viele Leben gerettet. Für das Spendenmarketing in Deutschland war dieses Engagement aber nahezu nutzlos.
Judith Raupp sueddeutsche.de  vom 14.10.2009

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