1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr, weil sie keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Jetzt soll die UN-Vollversammlung über ein Menschenrecht auf Trinkwasser abstimmen.
Wenn sich die Vertreter der Staaten am heutigen Mittwoch zur UN-Vollversammlung treffen, dann werden sie ein äußerst wichtiges Thema diskutieren:
Bolivien hat den Entwurf einer Resolution mit dem Titel "Das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen" eingereicht. 31 Länder unterstützen die Resolution, darunter etliche südamerikanische und afrikanische Staaten sowie Saudi-Arabien, Serbien, Georgien und Kuba.
"Tief besorgt darüber, dass schätzungsweise 884 Millionen Menschen keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und mehr als 2,6 Milliarden keinen Zugang zu den elementarsten sanitären Einrichtungen haben, alarmiert, dass schätzungsweise 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren jedes Jahr sterben [...] infolge von Krankheiten, die mit verschmutztem Wasser zusammenhängen", soll die Vollversammlung dem Dokument zufolge "das Recht auf sicheres und sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen zum Menschenrecht" erklären.
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Es ist das erste Mal, dass die UN-Vollversammlung direkt aufgefordert wird, sich mit der Frage nach einem Menschenrecht auf Trinkwasser zu beschäftigen. Die Erfahrung zeigt, dass Bolivien und seine Unterstützer sich keine allzu großen Hoffnungen machen sollten. Denn seit Jahrzehnten wird über das Thema diskutiert, eine globale Übereinkunft ist jedoch nie zustande gekommen.
So hatten sich die Teilnehmer des Weltwasserforums in Istanbul 2009 zwar auf einen Appell für eine bessere Trinkwasserversorgung verständigt. Gefordert wurden Anstrengungen zur Lösung von Konflikten um Wasser und eine vernünftige Verteilung der lebenswichtigen Ressource. Doch die Mehrheit der Fachleute und Vertreter aus rund 180 Ländern hatte sich nicht dazu durchringen können, in der Abschlusserklärung den Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht zu bezeichnen.
"Es ist keine Übertreibung", erklärte kürzlich Maude Barlow von Kanadas größter Bürgerrechtsbewegung Council of Canadians, dass "im Jahre 2010 der fehlende Zugang zu sauberem Wasser die größte Verletzung der Menschenrechte weltweit ist". Und es werde immer schlimmer: "Ein neuer Bericht der Weltbank sagt, dass bis 2030 der globale Wasserbedarf die verfügbare Menge um 40 Prozent übersteigen wird." Eine schockierende Vorhersage, die furchtbares Leid ankündige, so Barlow, eine ehemalige Beraterin des Präsidenten der Vollversammlung in Sachen Wasser.
Unbestritten ist, dass der Umgang mit der Ressource von essentieller Bedeutung für die Weltbevölkerung ist. Schon die Zahlen, auf die Bolivien in seiner Resolution hinweist, sind erschütternd. Und das Problem wird aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und des Klimawandels immer dramatischer.
Hinzu kommen Wasserverschmutzung, regionale Konflikte um den Zugang zu Wasser, die Nutzung von Flüssen, die durch mehrere Länder fließen und der Bau von Staudämmen, mit denen ganzen Landstrichen das Wasser vorenthalten werden kann.
Darüber hinaus gibt es ein großes Interesse von Konzernen, das kostbare Nass als Wirtschaftsgut zu Geld zu machen. Deshalb wird befürchtet, dass dort, wo das Wasser knapp ist, Arme noch schlechter versorgt werden als jetzt schon.
Wenn die Vollversammlung über die Resolution entscheidet, sollte sie ein bereits existierendes UN-Dokument berücksichtigen: Bereits 2002 hat der Wirtschafts- und Sozialrat der UN im sogenannten Allgemeinen Kommentar Nummer 15 das "Recht auf Wasser" festgestellt: "Das Menschenrecht auf Wasser berechtigt jedermann zu ausreichendem, ungefährlichem, sicherem, annehmbarem, physisch zugänglichem und erschwinglichem Wasser für den persönlichen und den häuslichen Gebrauch."
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Schätzungsweise 884 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser (© AP)
Demnach haben die UN das Menschenrecht auf sauberes Wasser also durchaus schon formuliert. Akzeptiert hat es die Weltgemeinschaft jedoch noch nicht.
Wie Bernd Ladwig von der Freien Universität Berlin in einem Bericht für die Bundeszentrale für politische Bildung feststellt, gibt es verständliche Einwände gegenüber einem Recht auf Wasser. Dieses setze zum Beispiel Ressourcen voraus, die einem Staat auch zur Verfügung stehen müssen.
Aber wenn die Nationen den Anspruch auf sauberes Trinkwasser als Menschenrecht gewährleisten müssten, würde dies die Folgen von Umweltzerstörung und Konflikten vielerorts in den Bereich der Menschenrechtsverletzung heben. Außerdem würde laut Ladwig "ein ausdrücklich anerkanntes Menschenrecht auf Wasser verdeutlichen, dass auch Privatisierungen die Regierungen nicht aus der Pflicht entließen, die Grundversorgung mit Wasser für alle zu sichern".
Akzeptiert man diese Einschätzung, so sind es offenbar nationale und kommerzielle Interessen, die bislang verhindert haben, dass das Recht auf sauberes Wasser von den UN als Menschenrecht akzeptiert wurde. Wäre es anders, hätten die UN vermutlich auch größere Chancen, ihre Millenium Development Goals in Bezug auf Wasser zu realisieren. Wenigstens halbiert werden sollte bis 2015 die Anzahl der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser und einer Basissanitärversorgung haben. Derzeit sieht es nicht so aus, als gebe es auch nur die geringste Chance, dieses Ziel zu erreichen.
Resolutionen der UN-Vollverammlung sind zwar, anders als jene des UN-Sicherheitsrates, völkerrechtlich nicht bindend. Würde die Resolution Boliviens aber verabschiedet, so könnte aber der politische Druck auf die Gegner eines Menschenrechts auf Trinkwasser zunehmen.
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