Will Österreich tatsächlich in Fragen der Menschenrechte und der humanitären Hilfe international eine Rolle spielen? Wenn ja, ist ein Kurswechsel angesagt: weg von einer Politik des Mitleids, hin zu einer Politik der Verantwortung - Von Max Santner
Es kommt Bewegung in die staatliche Hilfe für die vom Dürre und Hunger betroffenen Menschen in Ostafrika. Am 6. Oktober hat Außenminister Spindelegger in einer Aussendung angekündigt, ein Zeichen der Solidarität zu setzen und die österreichischen Hilfszahlungen aufzustocken. Und seit dem 12. Oktober ist klar, dass er es sehr ernst damit meinte. Die Bundesregierung versechsfacht die Hilfsgelder auf 8,5 Millionen Euro. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass zuvor kaum ein Land in der Europäischen Union weniger Geld zur Verfügung gestellt hat als Österreich, ist das erfreulich und ein Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht schafft es Spindelegger, diesen Schwung mitzunehmen und wird jener Außenminister, der die staatliche humanitäre Hilfe neu organisiert - so, dass Österreich auch international in diesem Bereich nicht mehr unterhalb der Wahrnehmungsgrenze grundelt.
Einige Baustellen zu bearbeiten
Derzeit nämlich fällt ein Vergleich der humanitären Hilfe Österreichs mit der anderer europäischer Staaten - unabhängig welche statistischen Daten und welchen Zeitraum man analysiert - peinlich aus. Selbst in einem Bericht der ADA, jener Agentur, die für die Umsetzung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit verantwortlich ist, kommen die Autoren zum Schluss, dass die humanitäre Hilfe in Österreich mit zu geringen Mitteln ausgestattet ist, als dass unser Land "als profilierter Akteur national oder international auftreten" könne.
Wollen Spindelegger und Staatssekretär Wolfgang Waldner tatsächlich - wie angekündigt - "frischen Wind" in die EZA-Politik bringen, wartet viel Arbeit auf sie. Einige Baustellen liegen direkt in ihrem Ressort - zum Beispiel der im Außenministerium angesiedelte Auslandskatastrophenfonds. Obwohl er bereits seit 2005 existiert, wurde der Fonds 2009 erstmals dotiert - mit fünf Millionen Euro. Weite Sprünge können damit nicht gemacht werden.
Welche Behörde zuständig?
Zusätzlich zu der chronischen Unterfinanzierung kommt ein weiteres Manko. Es gibt keine Behörde, die die humanitäre Hilfe Österreichs koordiniert. Sogar im Außenpolitischen Bericht 2009 des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten wird diese Fragmentierung beschrieben. Dort heißt es: "Die bilaterale humanitäre Hilfe wird sowohl von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit als auch dem Bundesministerium für Inneres, dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, von den Ländern und Gemeinden sowie von anderen öffentlichen Stellen finanziert und abgewickelt." Jeder mischt ein bisschen mit. Effizienz sieht anders aus.
Sensible Bevölkerung
Im Gegensatz zu ihren politischen Vertretern nimmt die österreichische Bevölkerung humanitäre Notstände sehr sensibel wahr und ist auch bereit, zu spenden, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten. Bei zahlreichen Katastrophen übersteigt das private Spendenvolumen jene Mittel, die von der Regierung bereitgestellt werden um ein Vielfaches. Diese Solidarität der Österreicher ist zu würdigen, enthebt den Staat allerdings nicht seiner Verantwortung.
Notwendige Schritte
Um den gesellschaftspolitischen Stellenwert der humanitären Hilfe zu heben, müsste folgendes gelten: humanitäre Hilfe ist kein Akt des Mitleids, ist nicht als Almosen zu verstehen und hat mit Mildtätigkeit nichts zu tun. Sie basiert auf Rechten, konkret auf Menschenrechten. Es ist also nur schlüssig, wenn Österreich - immerhin Mitglied des UNO-Menschenrechtsrats - zusätzlich zu den (wichtigen) Resolutionen, die es in diversen Gremien (UN-Sicherheitsrat, UN-Menschenrechtsrat) einbringt, auch Geld in die Hand nimmt und bereit ist, Strukturen zu verbessern. So kann der Einhaltung der Menschenrechte Vorschub geleistet werden. Nicht nur Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, würden davon profitieren, auch der Glaubwürdigkeit der österreichischen Außenpolitik wäre ein wertvoller Dienst erwiesen.
Solange humanitäre Hilfe als Ermessensausgabe - im Sinne einer wohltätigen Spende - verstanden wird, kann Österreich seiner internationalen Verantwortung kaum nachkommen. Eine angemessene Mittelausstattung und die Zusammenfassung der humanitären Hilfe in einer einzigen Behörde sind zwei Grundvoraussetzungen, für eine aktive Rolle Österreichs in der humanitären Hilfe. Derzeit geben wir nur vor, diese zu spielen. (Max Santner, derStandard.at, 21.10.2011)
Der Autor leitet den Bereich Internationale Hilfe beim Österreichischen Roten Kreuz und spricht beim Humanitären Kongress am 21. Oktober auf der Universität Wien zum Thema: Humanitäre Hilfe: Quo Vadis, Österreich?
Quelle: derStandard
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