1. Herr Riedel, war Japan Ihr erster Auslandseinsatz?
Nein, ich war bereits als Logistics Officer im THW-Erkundungsteam in Haiti eingesetzt. Hinzu kommen noch ein paar internationale Übungen und Lehrgänge wie z. B. in Zypern, England oder der Schweiz.
2. Welche Funktion übten Sie in dem Team aus?
Als Logistics Officer war ich für die gesamte Logistik vor, während und nach dem Einsatz verantwortlich. Dabei haben mich zwei Logistics Experts sowie ein Camp Manager unterstützt. Die Logistik bei Auslandseinsätzen umfasst die Organisation von Transportmitteln wie Busse und LKW’s, sowie der Einkauf von Kraftstoffen, Verpflegung und Trink- bzw. Brauchwasser. Außerdem organisiert der Logistics Officer die Verlegung des Teams und der Ausstattung zurück nach Deutschland.
3. Wie lange dauerte der Einsatz in Nordjapan?
Von Samstag, 12. März bis Samstag, 19. März. Wobei die Search and Rescue-Phase bereits am Montagnachmittag (14. März) abgeschlossen wurde. Nach rund 100 Stunden und nächtlichen Minusgraden sank die Wahrscheinlichkeit, in den Trümmern noch Überlebende zu finden auf 0 Prozent. Daher verlegte die SEEBA (Schnell-Einsatz-Einheit-Bergung-Ausland) in den Nord-Osten Japans, nach Misawa, um von dort aus zu operieren.
4. Wie verlief die Reise von Tokio zu ihrer Einsatzstelle?
Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Organisation von Fahrzeugen konnten wir nach zehn Stunden die Weiterreise ins Schadensgebiet antreten. Je näher wir an dieses herankamen umso mehr konnten wir die Ausmaße der Katastrophe erkennen: zerstörte Gebäude und Straßen, keine Elektrizität und unzählige obdachlose Menschen auf den Sraßen. Meine Erfahrungen decken sich mit den Bildern in TV und Zeitungen.
5. Welche Probleme mussten Sie vor Ort lösen?
Es galt zunächst einmal Verpflegung, Wasser und Kraftstoffe aufzutreiben – was mir nicht gelang. Es war einfach alles aufgebraucht und Nachschub selbst in einem weiten Umkreis nicht aufzutreiben. Zum Glück ist die SEEBA für mindestens sieben Tage autark. Außerdem galt es erste Erkundungen der Schadensstellen durchzuführen, was sich ebenfalls als sehr schwierig herausstellte. Die erste Erkundung musste aufgrund einer Tsunami-Warnung abgebrochen werden. Die zweite wegen starken Nachbeben. Bei der dritten Erkundung konnte unser gemischtes Team (THW und Schweizer Rettungskette) keine Überlebenden mehr finden. Die Zeit lief sprichwörtlich gegen uns.
6. Hatten Sie und Ihre Kameraden Angst vor einer möglichen radioaktiven Verstrahlung?
Angst wäre übertrieben zu sagen, eher Respekt. Wir waren zu keinem Zeitpunkt näher als 50 Kilometer an den Kraftwerken dran. Außerdem haben wir ständig die Konzentration der Radioaktivität in der Umgebung gemessen. Dabei gab es zu keiner Zeit auffallende Ergebnisse. In unserem Team war Mario König, Strahlenschutzexperte von der Berufsfeuerwehr Mannheim.
7. Welche Vorkehrungen gab es, um eine radioaktive Verstrahlung zu vermeiden?
Abschirmung – Abstand – Aufenthaltsbegrenzung
8. Das THW unterstürzte die deutsche Botschaft in Japan. Welche Aufgaben hatte dabei das THW genau?
Bereits am Samstag waren vier Experten des THW in der Deutschen Botschaft in Tokio eingetroffen, um diese bei ihren Aufgaben fachlich zu beraten und zu unterstützen. Dieses Modell hat sich bereits bei Erdbeben in Haiti und Chile bewährt. Eine wesentliche Unterstützung war beispielsweise, die Kontakte ausreisewilliger Deutscher an unser Team in Misawa weiterzuleiten, damit wir deren Ausreise organisieren konnten.
9. Was haben Sie aus Japan mitgenommen?
Leider nur wenig! Unsere gesamte Ausstattung sowie der Großteil unseres persönlichen Gepäcks mussten wir leider bei der US Air Force in Misawa zurücklassen. Der Grund dafür ist dass wir am Samstag gemeinsam mit der Schweizer Rettungskette, ISAR UK und 20 Zivilisten in einer gemeinsamen Maschine abgeflogen sind. Dort war leider kein Platz mehr für das Material. Ich bin aber zuversichtlich, dass die US Air Force uns dieses zeitnah nach Ramstein fliegen wird. Ansonsten habe ich “mitgenommen” wie dankbar wir in Deutschland sein können, in einem relativ Erdbeben sicheren Land zu leben und von größeren Naturkatastrophen (bisher) verschont worden zu sein. Ich wünsche den Japanern, dass ihnen das Schlimmste – der sogenannte “Super-Gau” – erspart bleibt und dass die Menschen gemeinsam mit ihrer Regierung und westlicher Unterstützung das Land schnell wieder aufbauen. Die freundlichen und hilfsbereiten Japaner haben es verdient, hoffentlich bald wieder in Ruhe und Frieden leben zu können.
10. Werden Sie beim nächsten Mal wieder ins Ausland ausrücken, falls das THW nach einer Naturkatastrophe benötigt wird?
Aber selbstverständlich! Ich habe mich vom THW zum Experten für Auslandseinsätze ausbilden lassen, um im Bedarfsfall schnell und effektiv technische Hilfe leisten zu können. Mit fast 31 Jahren habe ich noch einige Jahre im “Auslandgeschäft” und vermutlich zahlreiche Einsätze vor mir. Es wäre schön, wenn es nie mehr dazu kommen müsste und die Welt in Ruhe leben könnte! Aber die derzeitige Entwicklung auf unserem Planeten sieht leider anders aus …
Danke an Daniel Riedel für das Interview, das Harald Laier von FWNetz führte.
Quelle: FWNetz
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