Die internationalen Hilfsaktionen sind nur zögerlich in Gang gekommen. Anders als in sonstigen Jahren gab es nachrichtentechnisch durch die Finanzkrise überhaupt kein spürbares mediales „Sommerloch“. So ging denn das ein oder andere wichtige Thema wortwörtlich unter. Der pakistanische Präsident, Asif Ali Zardari, hat die UN erst am 8. September, also gut drei Wochen nach Einsetzen der Regenfälle, um internationale Hilfe gebeten. Außerhalb Pakistans ist dieser Hilferuf nur sehr leise angekommen.
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Wesentlich früher als die internationale Hilfe haben jedoch kleine Organisationen vor Ort begonnen, die Notversorgung in der betroffenen Region aufzubauen. Zu den aktiven Helfern gehört auch Awab Alvi, von Haus aus Zahnarzt in Karachi. Gemeinsam mit seinen Vereinsfreunden konnte er sehr früh das Katastrophengebiet mit ersten Hilfspaketen versorgen. Es ist absolut beeindruckend, den Aktivitäten Awab Alvis oder auch Faisal Kapadia auf Twitter (Links am Ende des Textes) zu folgen. Sie lassen uns an der Koordination ihrer Hilfsaktionen teilhaben, schildern ihre Schwierigkeiten bei der Verteilung der Nahrungsmittel, sodass wir einen unmittelbaren Eindruck der Aktivitäten erhalten.
Wir hatten Gelegenheit, mit Dr. Alvi zu sprechen, um einen Überblick über die laufenden Maßnahmen des Teams von „PKRelief“ zu erhalten.
The Intelligence (TI): Wie kamen Sie auf die Idee, den Flutopfern zu helfen? Ist es nicht besser, die Arbeit der Armee und den großen Hilfsorganisationen zu überlassen?
Awab Alvi: Wir gehören alle einem Motorsportverein an und kennen die Region durch unsere Offroad-Trainings sehr gut. Während der Flutkatastrophe 2010 überlegten wir uns deshalb, dass wir aufgrund unserer guten Ortskenntnisse mit unseren Jeeps auch in entlegeneren, durch Schlamm schwer zugänglichen Bezirken bei der Versorgung der Bevölkerung helfen können. Als sich die Regenfälle in diesem August verstärkten, war für uns klar, dass wir wieder mitmachen. Wir haben unsere Aktivitäten sehr schnell aufnehmen können. Etwa sechs Leute von uns sind direkt vor Ort im Einsatz. Inzwischen fahren wir nicht mehr mit unseren Jeeps, sondern mieten Lastwagen. Pro Fahrt nehmen wir etwa 500-1000 Lebensmittelpakete mit, die wir dann verteilen.
TI: Was verteilen Sie und wie stellen Sie sicher, dass die Pakete an die richtigen Stellen gelangen? Es soll viel Korruption und Kleinkriminalität geben.
Awab Alvi: Wir konzentrieren uns vollständig auf die Nothilfe. Ein Lebensmittelpaket enthält Reis, Mehl und Bohnen. Die 25 Kilogramm reichen aus, um eine Familie für die nächsten fünf Tage zu versorgen. Es gibt natürlich immer wieder solche, die versuchen, ein Paket zu ergattern und es dann für Zigaretten weiterzuverkaufen. Über zuverlässige Kontaktpersonen vor Ort stellen wir sicher, dass die Pakete auch in die Hände der wirklich Hilfsbedürftigen gelangen. Wir nehmen die Verteilung letztlich selber vor. Wir stimmen uns bei unseren Einsätzen auch mit dem Krisenmanagement der Regierung ab, damit es nicht zu Doppeleinsätzen kommt, während anderen Dörfern überhaupt nicht geholfen wird. Wir erhalten gegebenenfalls auch Sicherheitsbegleitung, z.B. von der Armee, wenn wir sie benötigen.
TI: Wie organisieren Sie sich konkret?
Awab Alvi: Der Einstiegspunkt für unsere Einsatzplanung ist die Webseite des pakistanischen Krisen- und Katastrophenmanagements. Dort sehen wir, wo der aktuelle Bedarf liegt. Wir stimmen uns mit den Behörden laufend ab. Soziale Medien spielen im Informationsfluss eine bedeutende Rolle. Wir informieren laufend über unsere Aktivitäten via Blogs, Videos auf YouTube oder auch Twitter. Jeder, der uns folgt, weiß immer, wo wir uns gerade befinden. Uns liegt sehr daran, eine möglichst uhilfsbeduerftige_pakistanmfassende Transparenz über unsere Aktivitäten herzustellen. In diesem Zusammenhang haben wir auch unsere Finanzen völlig offengelegt. Sie sind über die Website von SA Relief jeder Person zugänglich. Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Ich werde im Übrigen immer sehr schnell nervös, sobald zu viel Geld auf dem Bankkonto liegt. Geld gehört nicht auf ein Konto. Es soll so schnell wie möglich in Nahrungsmittel getauscht werden, damit wir helfen können. Die meisten unserer Spenden kommen direkt aus Pakistan, ein kleinerer Teil aus dem Ausland.
TI: Wie schätzen Sie die Aussichten für die nächsten Wochen ein?
Awab Alvi: Nicht gut. Es ist noch keinerlei Besserung der Situation zu erwarten. Es wird sogar noch schlimmer. Per 19. September waren 8 Millionen Menschen betroffen. Es ist mit Ernteausfällen zu rechnen, da wesentliche Ackerflächen überflutet sind. Das Wasser kann nicht abfließen. Es ist damit zu rechnen, dass mit dem bevorstehenden Winter das Wasser auch nur langsam verdunsten wird. Immense Sorgen bereiten mir auch mögliche Epidemien, wie Malaria oder Dengue. Dengue ist bereits im Nordosten Pakistans ein großes Problem, insbesondere in Lahore. Ein Ausbreiten der Epidemie in den Süden hätte fatale Folgen. Die Moskitolarven, die das Denguefieber übertragen, leben jedoch nur in klarem Wasser. Die starke Verschlammung unserer Überflutungsgebiete könnte die Ausweitung des Denguefiebers verhindern oder erschweren – drücken Sie uns die Daumen, dass uns das erspart bleibt.
Das Interview für The Intelligence führte Bärbel Bohr.
Quelle: The Intelligence
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